Vorwort

Vorwort

 

Botanische Gärten sind Kulturgüter. Darin sind sich alle Kenner einig, da es sich aus der geschichtlichen Entwicklung der Gärten ergibt. Als die Medizinische Wissenschaft so weit fortgeschritten war, dass Heilpflanzen verwendet wurden, lag es nahe, sie anzupflanzen. So auch geschehen um 1535 im Garten des Tübinger Mediziners Leonhart Fuchs (Abb. 1) vor seinem Wohnhaus, dem Nonnenhaus (Abb. 2), das bis heute erhalten blieb. Dass dies der Beginn des Botanischen Gartens in Tübingen ist, wird zwar durch kein formales Dokument belegt, aber durch das dortige Kultivieren von Arzneipflanzen angezeigt.

Als heimische Pflanzen für medizinische Zwecke nicht mehr genügten, waren fremdländische gefragt. Damit begannen die geographischen Gärten. Der Tübinger Johann Georg Gmelin hat auf seiner Sibirienreise dazu nachhaltig beigetragen. Neu entdeckte Arten häuften sich an, quollen über und sprengten allseits das Fassungsvermögen. Nicht nur die Katalogisierung, sondern auch die systematische Ordnung der neu entdeckten Organismen war angesagt: Systeme wurden entworfen und systematische Abteilungen in Gärten angelegt. In den Tübinger Gärten wurden die Systeme fünfmal dem aktuellen Kenntnisstand angepaßt, zweimal im alten und dreimal im neuen Garten.

In diese historische Entwicklung war die Kenntnis vom Standort der Gewächse immer als eine wesentliche ökologische Komponente miteinbezogen. Ökologische Reviere und Gärten sind allerdings erst in jüngerer Zeit entstanden, so auch im neuen Tübinger Garten.

Schon wegen der Schönheit der Pflanzen hatten die Gärten immer einen ästhetischen Anreiz und Anspruch. Die Kunst der Natur ist in Gärten allgegenwärtig, von einer Einzelpflanze, ihren Organen und deren Entstehung, bis zu den Ensembles von Anpflanzungen und künstlichen oder gar natürlichen Biotopen einer Anlage.

Nicht selten sind Künstler selbst vor Ort, wie im Tübinger Garten Mitglieder und Kursteilnehmer des Zeicheninstituts der Universität. Das kann und wird oft schon von „Grünen Schulen“ mit Kindern praktiziert.

 

Zusammenfassend läßt sich festhalten, dass das Kulturgut Botanischer Garten ein großartiger Ort der Belehrung zur Vielfalt der Lebewesen ist und damit auch ein integraler Bestandteil der akademischen Lehre sein muss.

 

Lehre und Forschung kann nicht voneinander getrennt werden, so auch nicht im Garten, selbst wenn keine groß inszenierten Forschungsprogramme nach außen getragen werden. Als Beispiel mag genügen, wenn im Garten Wildpopulationen der Ackerschmalwand, Arabidopsis thaliana, wachsen, die dann den Artenkennern, nicht aber den Labordienern bekannt sind – übrigens keine erfundene Szenerie. Und andere Wildpopulationen, die der „Niederen Pflanzen“ (Kryptogamen), stellen sich von selbst ein, Pilze, Flechten und Moose. Ihre ökologische Bedeutung sollte auch in Botanischen Gärten nachdrücklich betont werden.

Pflanzenarten, die im Garten kultiviert werden, ihre systematische Zugehörigkeit zu Familien, Ordnungen und Klassen, ihre Phylogenie und ihre geographische Verbreitung können im „Pflanzenführer“, der im Anhang zu finden ist, nachgeschlagen werden. Diese Zusammenstellung enthält auch die Autoren und die gängigen volkstümlichen Namen.

 

Dieser Rückblick auf den Tübinger Botanischen Garten schließt mit dem Jahr 2008 ab. Nachträgliche Veränderungen im Garten und Weiterentwicklungen in einschlägigen Wissenschaften wurden absichtlich nicht mehr berücksichtigt. Nur so erschien der Zeitabschnitt 1974-2008 angemessen darstellbar.