Kurze Geschichte der Botanischen Gärten in Tübingen

Kurze Geschichte der Botanischen Gärten in Tübingen

 

Die Tradition Botanischer Gärten in Tübingen beginnt mit Leonhart Fuchs und dessen Medizinalgarten, der einer der ältesten weltweit ist. In der Nachfolge wurden drei weitere Gärten angelegt. Der vormalige Gar­ten, jetzt "Alter Botanischer Garten" genannt, wurde in einen zentralen Stadtpark umge­wandelt.

 

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Abb. 1: Leonhart Fuchs (1501-1566). Gemälde von 1541 im Württembergischen Landesmuseum Stuttgart.

 

Leonhart Fuchs (Abb. 1, Anhang „Fuchs-Jahr 2001“), bekannter Gelehrter, Botaniker und Mediziner, sieben­facher Rektor der Tübinger Universität, Autor des prachtvoll bebilderten Pflanzenbuches "De Historia Stirpium" (1542), das er in der deutsch­sprachigen Ausgabe als "New Kreüterbuch" (1543) betitelte, verwendete nachweislich sei­nen ei­genen Garten an der Ostseite des Non­nenhau­ses (Abb. 2) in Tübingen zur Kultur von Arz­neipflan­zen, u.a. auch von Tabak.

 

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Abb. 2: Nonnenhaus, das Wohnhaus von Leonhart Fuchs. Zeichnung von Georg Salzmann 1974.

 

Von den meisterhaften Holzdruckstöcken (Abb. 3) sind nur 23 Tafeln erhalten geblieben. Fuchs war einer der Väter der Botanik, neben Otto Brunfels (1488-1534), aus Straßburg, der 1530 Herbarum vivae eico­nes herausgab und Hieronymus Bock (1498-1554), aus Zwei­brücken, der 1539 sein New Kreutterbuch veröffentlichte.

 

Zur Würdigung der wissenschaftlichen Ver­dienste von Fuchs hat der französische Bota­niker Charles Plumier (1646-1704, Abb. 4) bereits 1703 die da­mals nur aus Südamerika bekannten Arten ei­ner nicht benannten Nachtkerzen-Gat­tung als Fuchsia beschrieben.

Auf der Insel Santo Domingo entdeckte er 1695 eine neue Pflanze, die er mit nach Europa brachte und ihr den Namen Fuchsia tri­phyl­la flore coccinea (Abb. 5) gab.

 

 

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Abb. 3: Holzdruckstöcke für die Kräuterbücher von Leonhart Fuchs. Links: Acker-Wachtelweizen, Melampyrum arvense, Maler Ziegler; Mitte: Zypressen-Flachbärlapp, Diphasiastrum tristachyum, Vorlage Hieronymus Bock 1546, Maler Ziegler; rechts: Queller, Salicornia europaea, Vorlage von Pietro Andrea Matthioli 1563, Maler Ziegler.

 

 

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Abb. 4: Charles Plumier (1646-1704). Stich von J. Blanchouise.

 

Neben der Gattung Fuchsia beschrieb und illustrierte Plumier in seinen Reiseberichten noch weitere 219 amerikanische Pflanzen aus 106 unterschiedlichen Gattungen. Viele wurden von ihm nach berühmten Botanikern benannt. Neben Fuchsia sind das z.B. die Pflanzengattungen Bauhinia, Brunfelsia, Diosco­rea, Lobelia und Matthiola.

Plumier hinterließ 6000 Zeichnungen, von denen 4300 Pflanzen darstellen.

Mit der Verwendung von Fuchsien als geschätzter und immer mehr züchterisch veränder­ter Zierpflanzen blieb der Name des berühmten Tübin­ger Naturfor­schers auch der nicht fachbezogenen Nach­welt in fortwährender Erinnerung.

 

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Abb. 5: Fuchsia triphylla flore coccinea. Nach Plumier.

 

Nach dem Tode von Fuchs wurde sein Privat­garten nicht mehr wissenschaftlich genutzt, obwohl der drin­gende Bedarf für die prakti­sche Ausbildung der Studen­ten auf dem Ge­biet der Heilpflanzenkenntnis offenkun­dig war. Erst nach annähernd einem Jahrhundert wurde ein universitätseigener Garten zwi­schen Bursa und Alter Aula als Hortus me­dicus eingerichtet (Abb. 6). Seine genaue Entstehungs­zeit liegt allerdings im Dunkeln. Es kann als weitgehend gesichert gelten, dass ein solcher Medizininalgarten zwar bereits vor dem drei­ßigjährigen Krieg be­stand, seine sachgerechte Nutzung aber immer wieder unterblieb.

 

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Abb. 6: Hortus Medicus an der Bursa. Radierung von Johannes Pfister1620. Das rote Viereck markiert den Ort des Gartens.

 

Be­merkenswert ist, dass Herzog Eberhard III. (1628-1674) gegen den Widerstand der Uni­versität selbst den Aufbau des Hortus Medicus mehr­mals nach­drücklich anordnen musste. 1663 wurde zwar mit der Anlage be­gonnen, aber noch 1675 - als Jahr der Fertig­stellung zwar mehrfach angegeben, jedoch nicht ur­kundlich belegt - weist ein Rezess auf die erheblichen Mängel des Gartens hin, die eine ordnungsgemäße Nut­zung nicht erlaub­ten.

Ein Universitätsgärtner wurde 1666 angestellt und Georg Balthasar Metzger (1623-1687) wurde Gartenlei­ter bis zu seinem Tod.

Dann übernahm der Tübinger Ru­dolph Ja­cob Camerarius (Abb. 7), der Ent­decker der Sexualität der Pflanzen, die In­spektion über den Garten. Er kultivierte männliche und weibliche Pflanzen vom einjährigen Bingelkraut, Mercurialis annua, und vom Spinat, Spinacia oleracea, getrennt, entfernte die Staubbeutel vom Rizinus, Ricinus officinalis und dem Mais, Zea mais, und stellte fest, dass es unter diesen Bedingungen keinen Fruchtansatz gab.

 

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Abb. 7: Rudolph Jacob Camerarius (1655-1721), Direktor des Tübinger Gartens 1687-1721, der Entdecker der Sexualität der Pflanzen. Portraitsammlung Universität Tübingen.

 

Ihm und seinem Sohn, Alexander Came­rarius (1696-1736), der auch seine Nachfolge antrat, gelang es, den Garten we­sentlich zu verbessern. So wurde ein Ge­wächshaus gebaut und ein eigenes Haus zur Durch­führung botanischer Übungen einge­richtet.

 

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Abb. 8: Johann Georg Gmelin (1709-1755), Direktor des Gartens 1749-1755. Portraitsammlung Universität Tübingen.

 

Burkhard David Mauchart (1696-1751) wurde 1736 Dekan der Medizinischen Fa­kultät und übernahm die Leitung des Gartens, in dem 1744 ein Glas­haus fertigge­stellt wurde.

Unter Johann Georg Gmelin (Abb. 8) wandte sich der Bo­tanische Garten neuen Auf­gaben zu. Mit 22 Jahren wurde der gebo­rene Tübinger Gmelin ordentli­cher Pro­fes­sor für Medizin, Chemie und Naturge­schichte an der Petersburger Universität. Die Ergeb­nisse seiner beinahe zehn Jahre währenden Sibirien­reise (Abb. 125) wertete er, nach Tübingen zu­rückge­kehrt, in seiner Heimatstadt aus. Der Garten wurde durch seine Sammlungen mit einer Fülle exotischer Gewächse be­reichert.

 

Immerhin währte es noch bis Ende des Jahres 1804, bis durch ein Dekret des Herzogs Friedrich II. (1754-1816) der Weg für die Neuanlage eines Botanischen Gartens geebnet wurde.

 

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Abb. 9: Botanisch-ökonomischer Garten. Nach einer Farblithographie von K. Baumann, 1828.

 

Der in Bebenhausen geborene Tübin­ger Professor für Chemie, Pharmazie und Medizin, Karl Friedrich Kielmeyer (1765-1844) leitete den Aufbau des neuen Gartens auf einem Gelände vor den Toren der damaligen Stadt (Abb. 9). Mit der Fertigstellung von vier Gewächshäusern, den Wohnungen für Gärtner und eines Hörsaales konnte ab 1809 der "Botanisch-öko­nomische Garten" seine erweiterten Aufgaben wahr­nehmen. In der Nachfolge Kielmeyers, der 1817 einem Ruf nach Stuttgart folgte, wurde der Garten ständig und erheblich vergrößert und in sei­nem Artenbestand berei­chert.

Der Tübinger Botaniker Gustav Schübler (1787-1834) wurde 1817 Gar­tendirektor. Zusammen mit Georg von Martens erstellte er bis 1834 eine Flora von Württemberg. Von 1818-1825 wurden die Pflanzen nach dem natürlichen System von Antoine-Laurent de Jussieu etikettiert. Es wurden Anlagen für Gebirgs-, Wasser-, Farnpflanzen errichtet. Erstmals erschien 1820 ein gedrucktes Samenverzeichnis. Ein Ge­wächshausanbau erhielt 1828 eine teilweise Dachverglasung.

 

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Abb. 10: Hugo von Mohl (1805-1872). Lithographie von 1843, Universität Tübingen.

 

Schließlich konnte Hugo von Mohl (1805-1872, Abb. 10) wesentliche Verbesse­rungen, wie weitere An- und Neubauten der Ge­wächs­häuser, erreichen. Auf ihn, der besonders Zellen- und Gewebelehre vertiefte, geht der Terminus "Protoplasma" (1846) zurück. Erstmals wurde eine Naturwissenschaftliche Fakultät in Deutschland gegründet. Mohl lehnte Doktoranden ab, hatte daher keine Schüler. 1846 wurde ein großzügiges Institutsgebäude auf dem Gelände des Botanischen Gartens vollendet, das heute noch, denkmalsgeschützt und mit Institutsnamen versehen, von der Zentralen Verwaltung der Universität belegt, an der Wilhelmstraße steht.

1859 enthielt der Garten 5226 Arten.

 

Von Heidelberg nach Tübingen berufen, übernahm 1872 Wilhelm Hofmeister (1824-1877) die Leitung des Gartens. Der ursprüngliche Musikalien­händler wurde 1863 ohne Abitur und Studium, gegen das Votum der Fa­kultät, als Professor nach Heidelberg berufen. Er hat die Entstehung des pflanzlichen Embryos und die Generationswechsel der Moose, Farne und Blütenpflanzen aufgeklärt. Auf ihn folgte, jedoch nur für ein Jahr (1877/78), der Pflanzenanatom Simon Schwendener (1829-1909).

 

Der berühmte Pflanzen­physiologe Wilhelm Pfeffer (1845-1920), der 1881 "Pflanzenphysiologie, ein Handbuch des Stoff­wechsels und Kraftwechsels in der Pflanze" veröffentlichte, konnte den Neubau eines großen Palmenhau­ses durch­setzen, das Ende 1886, ein Jahr vor seiner Wegberu­fung nach Leip­zig, fertigge­stellt wurde.

 

Hermann Vöchting (1847-1917) widmete sich der Umgestal­tung der sy­stemati­schen Abteilung sowie dem Ausbau der technischen Anlagen. Er war Mitbe­gründer der Entwick­lungsphysiologie. Das System nach August Eichler wurde im Garten umgesetzt.

Von 1919-1922 war Wilhelm Ruhland (1878-1960) Direktor. Er wurde durch sein Handbuch der Pflan­zenphysiologie bekannt.

 

Auf Ruhland folgte bis 1944 der Verer­bungsforscher Ernst Lehmann (1880-1957) und ab 1946 über­nahm Erwin Bünning (1906-1990, Abb. 11), berühmt durch seine Forschungen an der „physiologischen Uhr“, die Direktion des Botanischen In­stitutes und des Gartens. Wäh­rend dieser Zeit entwickelte sich der inzwi­schen bereits Alte Botanische Garten zu einem Kleinod inmitten der ihn längst umgebenden Stadt.

 

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Abb. 11: Feier zum 80. Geburtstag von Erwin Bünning (Mitte), daneben rechts Karl Mägdefrau und Achim Hager rechts außen, Pflanzenphysiologe und Nachfolger von Bünning. Links außen Franz Oberwinkler. Photo Anonymus 1986.

 

 

Karl Mägdefrau (1907-1999, Abb. 11), Professor für Botanik, besonders für Palaeobotanik und Pflanzenökologie, begann mit der Planung des Neuen Botanischen Gartens unmittelbar nach seiner Berufung nach Tü­bingen 1960 und war Direktor bis 1972. Durch den Ausbau der Universität und die damit notwendig gewordene Verle­gung der naturwissenschaftlichen Institute auf die Morgenstelle konnte ein 10 ha großes Gelände für die Neuanlage verwendet wer­den. Allerdings wird der neue Garten durch die Nordring-Straße in zwei, annähernd gleich große Teile zerschnitten. Im oberen Bereich wurde der Baumgarten, das Arbore­tum, angelegt. Dort ist eine Vielzahl winter­harter Gehölze aus den gemäßigten Breiten gepflanzt, von denen nicht wenige zu stattlichen und sich bereits jetzt beengenden Bäumen heran­gewachsen sind.

Von 1974-2008 war Franz Oberwinkler (Abb. 11) Direktor des Tübinger Gartens. Dieser Zeitabschnitt ist Gegenstand der folgenden Abhandlung.

 

Geschichte und Funktionen des Gartens

  • Arzneipflanzengarten

  • Geographischer Garten

  • Systematischer Garten

  • Ökologischer Garten

verbunden durch

  • Lehre

  • Forschung

  • Ästhetik