Magnoliidae, Magnolienartige Verwandtschaft
Abb. 102: Systemreviere im neuen Botanischen Garten. Es sind nur die wichtigsten Ordnungen eingetragen. Die unterstrichenen und gelb geschriebenen Namen verweisen auf die Ordnungen, die im Folgenden behandelt werden. Photo: Google Earth, 2007.
Abb. 103: Magnoliidae nach Cronquist (1988). Zum Vergleich mit molekularphylogenetischen Vorstellungen siehe Text.
Wie der molekularphylogenetische Stammbaum (Abb. 19) zeigt, bilden Einkeimblättler, Monocotyledoneae, eine Abstammungsgemeinschaft, sie sind also monophyletisch, nicht aber die Zweikeimblättler, Dicotyledoneae (APG II 2003, APG III 2009).
Die Unterklasse der Magnoliidae, magnolienartige Verwandtschaft, umfaßte ursprünglich neben den Magnoliales, Laurales und Piperales, auch die Aristolochiales, Illiciales, Nymphaeales, Ranunculales und Papaverales (Abb. 103). Nach molekularphylogenetischen Hypothesen bilden jedoch nur die Magnoliales, Laurales und Piperales (incl. der Aristolochiales als Familie Aristolochiaceae), zusammen mit den Chloranthales und Canellales ein Monophylum (Massoni et al. 2014, 2015). Die Nymphaeales wurden als Vertreter der basalen Angiospermen bereits vorgestellt, ebenso wie die Austrobaileyales (Illiciales), zu denen die Schisandraceae gestellt werden (siehe oben). Die Papaverales wurden als Familie (Papaveraceae) in die Ranunculales eingegliedert (Fay et Christenhusz 2012, Hoot et al. 2015).
Traditionelle systematische Einteilungen von Engler (1892, 1903), Hutchinson (1959), Takhtajan (1959), Melchior (1964), Cronquist (1981, 1988) und Huber (1991) stimmen in vielen Gruppierungen auch mit den molekularphylogenetischen Hypothesen überein.
Arten der Magnoliidae mit den Magnoliales, Laurales und Piperales sind auf der dritten Terrasse der Tübinger Systemanlage angepflanzt (Abb. 102).
Magnoliales, Magnolienartige Gewächse
Abb. 104: Familien der Magnoliales incl. Winterales: Dendrogramm nach Sequenzen des Plastidengenoms. Verändert nach Donoghue in tree of life (1996).
Ordnung ursprünglicher, dikotyler, zumeist holziger und immergrüner Pflanzen ohne Stipeln, aber oft mit tütenartigen Blattscheiden.
Systematik und Phylogenie (Abb. 104): Die Familien Annonaceae, Degeneriaceae, Eupomatiaceae, Himantandraceae, Magnoliaceae und Myristicaceae werden in der Ordnung Magnoliales zusammengefaßt. Ihre verwandtschaftlichen Beziehungen sind in unterschiedlichen molekularen Analysen uneinheitlich (Doyle et Endress 2000, Soltis et al. 2000, Magallón et al. 2015).
Abb. 105: Blüte von Liriodendron tulipifera, Tulpenbaum, TüBG. Orig. 12.6.2002.
Magnoliaceae, Magnoliengewächse
(Abb. 104-106). Familie der Magnoliales (Magnolienartige Gewächse) mit 2-12 Gattungen und etwa 220 Arten von Holzgewächsen, die in Wäldern Süd-, Ost- und Südostasiens sowie im südöstlichen Nordamerika und in Mittel- und Südamerika vorkommen. Blätter einfach, wechselständig, mit großen, stängelumfassenden, hinfälligen Stipeln; Blüten auffällig, groß, mit freien, nicht in Kelch und Krone gegliederten Blütenhüllblättern und vielen, an deutlich konisch verlängerten Blütenachsen spiralig stehenden Staub- und Fruchtblättern (Abb. 106); Fruchtblätter frei oder zu Sammelfrüchten verwachsen. Wichtige Holzlieferanten und Ziergehölze. Benannt nach dem französischen Botaniker Pierre Magnol (1638 -1715). Gattungsauswahl: Magnolia, Michelia, Liriodendron.
Phylogenie: Die Magnoliaceae sind eine monophyletische Familie der Magnoliales mit den Myristicaceae als nächste Verwandte (Doyle et Endress 2000, Soltis et al. 2000). Durch molekulare Daten ist die traditionelle Gattungsgliederung der Magnoliaceae in Frage gestellt worden.
Siehe Anhang „Lieblingspflanze 16. Tulpenbaum“. Vgl. Teil 3 Arboretum, 12 Magnoliaceae.
Abb. 106: Teillängsschnitt einer Blüte von Magnolia x soulangiana (M. denudata x M. liliiflora). P gleichgestaltete Blütenblätter, A Staubblätter, G Fruchtknoten. Orig.
Laurales, Lorbeerbaumartige Gewächse
Abb. 107: Familien der Laurales: Dendrogramm nach Sequenzen des Plastidengenoms. Verändert nach Donoghue in tree of life (1996).
Hauptmerkmale der Laurales sind: Überwiegend immergrüne Gehölze mit einfachen, lederigen Blättern, ohne Stipeln, gelegentlich mit Blattscheiden. Blütenhüllen schraubig oder in 2 bis mehreren Wirteln, meist freiblättrig. Festigungsgewebe der Samenschale - wenn vorhanden - vom äußeren Integument abgeleitet.
Systematik und Phylogenie (Abb. 107): Die Verwandtschaftsverhältnisse der Laurales wurden von Renner (1999) morphologisch und molekular analysiert. Die Ordnung wurde auch mit den nah verwandten Magnoliales (= Annonales) vereint.
Abb. 108: Teilblütenstand von Laurus nobilis, Lorbeerbaum. TüBG. Orig. 25.2.2006.
Lauraceae, Lorbeergewächse
(Abb. 107, 108). Familie mit ca. 50 Gattungen und etwa 2500 Arten von Gehölzen und parasitischen Lianen mit fadenförmigen Stängeln. Die Lauraceen sind besonders in der Neotropis und in Südostasien verbreitet, darüber hinaus kommen sie aber auch in Afrika, dem süd- und ostasiatischen Bereich, in Indomalesien, Australien und Neuseeland vor. Blätter meist ungeteilt, ohne Stipeln, lederig, wechselständig, selten gegenständig oder quirlig. Blüten klein, zyklisch, zwittrig oder eingeschlechtig, meist 3zählig, Blütenachse verbreitert bis becherig; P3+3 oder selten 2+2, sehr selten 0; A meist 3-12, auf 4 Kreisen, die Glieder eines oder mehrerer Kreise auch staminodial; Antheren mit Klappen (2-4) aufspringend; G(3) meist mittelständig, selten unterständig, einfächerig, mit oder ohne Griffel; einsamige Beeren oder Steinfrüchte, meist von der Blütenachse (Cupula) teilweise oder ganz umgeben; die Cupula kann auch abfallen. Die Familie enthält wichtige Nutzpflanzen (Holz, Früchte, Gewürze: aromatische Blätter mit ätherischen Ölen, darunter toxische, wie Campher oder Safrol) und Ziergehölze, aber auch chlorophylllose Parasiten der Gattung Cassytha. Mit dem lateinischen Namen für Lorbeer benannt. Gattungsauswahl: Cinnamomum, Laurus, Lindera, Litsea, Ocotea, Persea.
Phylogenie: Verwandtschaften und ihre Verbreitungsmuster wurden von Chanderbali et al. (2001) untersucht. Die Lauraceae sind die Schwestergruppe der Monimiaceae innerhalb der Laurales (Renner 2005).
Vgl. Teil 3 Arboretum, 17 Lauraceae.
Abb. 109: Blüte von Calycanthus fertilis, Gewürzstrauch. Mehrere Blütenblätter wurden entfernt um die Staubblätter sichtbar zu machen. TüBG. Orig. 4.6.2010.
Calycanthaceae, Gewürzstrauchgewächse
(Abb. 107, 109, 110). Familie mit 4 Gattungen und 7 Arten winterharter Sträucher, die gegenständig beblättert sind. Das Gesamtareal umfaßt 4 disjunkte Gebiete: Ostasien, Nordaustralien, sowie zwei Teilareale in SO- und SW-Nordamerika. Die zahlreichen, freien Fruchtblätter sind in einen deutlichen Blütenbecher eingesenkt. Der aus dem Griechischen abgeleitete Name bedeutet Kelchblüte. Gattungen: Calycanthus, Chimonanthus, Idiospermum, Sinocalycanthus.
Phylogenie: Die Calycanthaceae bilden das basale Monophylum der Laurales (Renner 2005).
Vgl. Teil 3 Arboretum, 10 Calycanthaceae.
Abb. 110: Winterblüte, Chimonanthus praecox, Gewürzstrauchgewächse, Calycanthaceae. 1 Seitenansicht, 2 Längsschnitt, 3 Blütenausschnitt. P gleichgestaltete Blütenblätter, A Staubblatt, St Staminodium, G Fruchtknoten. Orig.
Aristolochiales, Osterluzeiartige Gewächse
Abb. 111: Teilblütenstand von Aristolochia clematitis, Osterluzei, TüBG. 29.4.2002.
Aristolochiaceae, Osterluzeigewächse
(Abb. 111). Traditionell einzige Familie der Aristolochiales mit 9 Gattungen und ca. 500 Arten von Kräutern, Sträuchern und Lianen. Die nahezu weltweit verbreitete Familie fehlt allerdings in den kalten Gebieten der nördlich gemäßigten Zone und in Australien. Blüten zumeist dreigliedrig mit einfacher und verwachsener Blütenhülle. Der Name bedeutet im Griechischen "gut gebärend"; er bezieht sich auf die Form der Blüte, die einem Fötus gleichen soll. Gattungsauswahl: Aristolochia, Asarum, Saruma.
Systematik und Phylogenie: Kelly et González (2003) haben die verwandtschaftlichen Beziehungen der Aristolochiaceae analysiert. In molekularphylogenetischen Dendrogrammen gruppiert die Familie mit den Lactoridaceae innerhalb der weit gefaßten Piperales (Neinhuis et al. 2005). Ob sie den Piperales zugeordnet werden kann, ist nicht gesichert.
Piperales, Pfefferartige Gewächse
Abb. 112: Der Eidechsenschwanz, Houttuynia cordata, Saururaceae. 1 Blütenstand und 2 Einzelblüte, die zeigt, dass die Staubblätter (a) aus der Fruchtknotenwand (G) entspringen. Bs Blütenstand, Hb Hochblatt, Na Narbe. Orig.
Hauptmerkmale der Piperales: Sukkulente zweikeimblättrige Pflanzen, meist mit markständigen Leitbündeln. Sekundärholz durch ausdauerndes Kambium gebildet. Häufig Idioblasten mit ätherischen Ölen. Infloreszenzen ährig bis traubig, Blüten mit Tragblättern; Blütenhülle fehlend; Pollen mit einer oder ohne Apertur; Samen mit Perisperm. Familien: Piperaceae, Saururaceae.
Systematik: Traditionell und auch nach molekularen Daten zu den Magnoliidae gestellt. Es gibt jedoch bemerkenswerte Ähnlichkeiten mit den Nymphaeales (Huber 1991: involutive Blattknospen; sukzedane Teilung der Pollenmutterzellen; unitegmische und crassinucellate Samenanlagen; Perisperm mit zusammengesetzten Stärkekörnern; kleine Embryonen) und den Arales (Ölidioblasten; Spaltöffnungen von Nebenzellen rosettig umgeben; ährige Blütenstände, vgl. Abb. 95).
Saururaceae, Molchschwanzgewächse
(Abb. 112, 113). Familie mit 5 Gattungen und 6 Arten in Nordamerika und Ostasien. Blätter wechselständig, einfach, mit Stipeln, die teilweise mit dem Blattstiel verwachsen. Blüten radiär, zwittrig, ohne Blütenhülle, zu kurz-zylindrischen Blütenständen zusammengezogen (Name: Griech. sauros - Echse, oura - Schwanz), die an der Basis kronblattartige Hochblatthüllen tragen. Die freien Fruchtblätter reifen zu Bälgen heran.
Gattungen: Anemopsis, Circaeocarpus, Gymnotheca, Houttuynia, Saururus.
Abb. 113: Bestand von Anemopsis californica, Scheinanemone, im System, TüBG. Orig. 1.7.2008.
Phylogenie: In molekularphylogenetischen Dendrogrammen gruppieren die Saururaceae mit den Piperaceae innerhalb der Piperales (Carlquist et al. 1995, Meng et al. 2002).
Anemopsis californica und Houttuynia cordata (Abb. 29) vertreten im System die Pfefferartigen Gewächse (Piperales).
Arten der Gattungen Piper, Pfeffer, und Peperomia, Zwergpfeffer, (Piperaceae, Pfeffergewächse) sind reichlich in den Gewächshäusern angepflanzt.
Ranunculales, Hahnenfußartige Gewächse
Bewertet nach morphologischen Merkmalen wurden die Ranunculales traditionell mit den Magnolienartigen (siehe S. 58) gruppiert oder als nächst verwandt angesehen (Engler 1892, 1903, Takhtajan 1959, Melchior 1964, Cronquist 1981, 1988). Huber (1991) unterschied die Ölzelligen mit der Magnolien-Verwandtschaft von den Dreifurchenpolligen mit der Hahnenfuß- und Nelkenverwandtschaft. Hauptmerkmale der Taxa dieser Ordnung sind: Meist wechselständige und zusammengesetzte Blätter ohne Stipeln; häufig viele und schraubig angeordnete Staubblätter; nicht selten auch 3zählige Blüten; Endosperm stärkefrei. Nach molekular begründeten Phylogenien erscheinen die Magnoliidae von den übrigen Dikotylen getrennt (Abb. 19). Die folgenden Ordnungen sind nach diesem Dendrogramm von links nach rechts angeordnet.
Ranunculales sind im System und Arboretum von TüBG mit den Familien Berberidaceae, Fumariaceae, Lardizabalaceae, Menispermaceae, Papaveraceae und Ranunculaceae vertreten.
Abb. 114: Familien der Ranunculales und Papaverales: Dendrogramm nach Sequenzen des Plastidengenoms (Chase et al. 1993).
Phylogenie: Die Stammesgeschichte der Ranunculales wurde nach molekularen Daten von Hoot et Crane (1995), Wang et al. (2009) und Fay et Christenhusz (2012) analysiert.
Siehe Anhänge Fam. Hahnenfußgewächse Ranunculaceae 1, 2.
Vgl. Teil 3 Arboretum, 8 Menispermaceae, 11 Lardizabalaceae.
Abb. 115: Blüte von Mahonia aquifolium, Mahonie. Botan. Garten München. Orig. 4.4.1968.
Berberidaceae, Berberitzengewächse
(Abb. 114, 115). Familie mit 15 Gattungen und etwa 700 Arten von Sträuchern und Stauden, die in Ost- und Nordafrika, Europa, West-, Zentral- und Ostasien, sowie in Nordamerika und den Anden verbreitet sind; sie fehlen in den kalten Gebieten der Nordhemisphäre und im gesamten Australien. Blätter einfach (auch schildförmig) bis gefiedert, ohne Stipeln, wechsel- oder grundständig. Blüten radiär, zwittrig und meist dreizählig; P bzw. K+C3-∞ (1-9-kreisig), A4-18 (meist zweikreisig), Filamente meist reizbar; Antheren oft mit 2 Klappen öffnend; G1, auch (2-3), einfächerig, mit meist vielen Samenanlagen; Balg- oder Beerenfrüchte, selten Nüßchen. Der Name bezieht sich auf eine arabische Bezeichnung für Frucht. Gattungsauswahl: Berberis, Bongardia, Caulophyllum, Diphylleia, Dysosma, Epimedium, Jeffersonia, Leontice, Mahonia, Plagiorhegma, Podophyllum, Vancouveria.
Systematik und Phylogenie: Die Berberidaceae bilden in molekularphylogenetischen Dendrogrammen mit den Ranunculaceae und Menispermaceae ein Monophylum (Abb. 114; Hoot et Crane 1995). Molekulare Hypothesen unterstützen die Untergliederung der Familie in Berberideae und Podophylleae. Die traditionellen Epimedeae erweisen sich jedoch als paraphyletisch. Die Gattungen Bongardia, Caulophyllum und Leontice werden auch in einer eigenen Familie, Leonticaceae, zusammengefaßt. Nandina, oft zu den Berberidaceae gestellt, wird als Vertreter einer eigenen Familie, Nandinaceae, geführt. Berberideae häufig mit Isochinolin- (Berberin) und Chinolizidin-Alkaloiden (N-Methylcytisin). Diese Inhaltsstoffe fehlen den Podophylleae, die dagegen wasserlösliche Lignan-Glycoside (Podophyllotoxin) enthalten. Viele Arten werden als Zierpflanzen verwendet.
Vgl. Teil 3 Arboretum, 29 Berberidaceae.
Abb. 116: Teilblütenstand von Nandina domestica. TüBG. Orig. 16.6.2006.
Abb. 117: Teilfruchtstand von Nandina domestica. TüBG. Orig. 21.5.2003.
Nandinaceae
(Abb. 116, 117). Eine Art, Nandina domestica, die im mittleren China verbreitet ist und in Japan seit alters her kultiviert wird. Der immergrüne Strauch hat ein- bis dreifach gefiederte, wechselständige Blätter. Blüten weiß, in endständigen Rispen; P∞ mehrkreisig (auch anders interpretiert: K∞ spiralig angeordnet, C6 einkreisig); Nektarblätter 6, schmal, mit subapikalen Nektarien; A6, Antheren längsspaltig öffnend; G1 oberständig, mit einer Samenanlage; Beere rot. Benennung nach dem japanischen Pflanzennamen „nanten“, Südhimmel.
Systematik und Phylogenie: Die Art wird meist zu den Berberidaceae gestellt. Die Familie läßt sich jedoch auch nach den molekularphylogenetischen Befunden von Kim et Jansen (1996) rechtfertigen.
Abb. 118: Blütenlängsschnitt des Scharbockskrautes, Ranunculus ficaria, mit vielen freien Kron-, Staub- und Fruchtblättern, charakteristisch für die Hahnenfußgewächse. Orig.
Ranunculaceae, Hahnenfußgewächse
(Abb. 114, 118-120). Familie mit ca. 60 Gattungen und annähernd 2500 Arten von ausdauernden und einjährigen Kräutern, sowie wenigen verholzenden Gewächsen mit einer insgesamt weltweiten Verbreitung. Blätter zusammengesetzt aber auch einfach, wechsel- oder grundständig, selten gegenständig oder quirlig. In Blüten- und Fruchtmorphologie sehr vielfältig, jedoch oft durch viele, spiralig stehende Staubblätter und freie Fruchtblätter ausgezeichnet. Reich an Isochinolin-Alkaloiden und (sich gegenseitig ausschließend) hautreizenden Scharfstoffen (Protoanemonin); stark giftige Diterpenoid-Alkaloide in Aconitum (Aconitin) und Delphinium, Cardenolide in Adonis und Bufadienolide in Helleborus. Der Name bezieht sich auf die lateinische Bezeichnung für Frosch, "rana"; er verweist auf die zahlreichen Arten, die an feuchten Standorten vorkommen.
Abb. 119: Blüte von Anemone hupehensis, chinesisches Windröschen, TüBG. Orig.28.7.2002.
Gattungsauswahl: Eisenhut Aconitum, Christophskraut Actaea, Adonisröschen Adonis, Windröschen Anemone, Akelei Aquilegia, Schmuckblume, Dotterblume Caltha, Silberkerze Cimicifuga, Waldrebe Clematis, Rittersporn Delphinium, Winterling Eranthis, Nießwurz Helleborus, Leberblümchen Hepatica, Muschelblümchen Isopyrum, Knowltonia, Mäuseschwänzchen Myosurus, Nigella, Paraquilegia, Küchenschelle Pulsatilla, Hahnenfuß Ranunculus, Scheinakelei Semiaquilegia, Wiesenraute Thalictrum, Trollblume Trollius.
Phylogenie: Die Ranunculaceae bilden in molekularphylogenetischen Dendrogrammen mit den Berberidaceae und Menispermaceae ein Monophylum innerhalb der Ranunculales (Hoot et Crane 1995, APG 2009).
Vgl. Teil 3 Arboretum, 19 Ranunculaceae.
Abb. 120: Blüte von Aquilegia canadensis, kanadische Akelei, TüBG. Orig. 29.4.2002.
Papaveraceae, Mohngewächse
(Abb. 114, 121). Familie mit 23 Gattungen und etwa 250 Arten einjähriger und ausdauernder Kräuter, selten Sträucher oder Bäume, die besonders in der nördlich gemäßigten Zone verbreitet sind. Einige Vertreter finden sich aber auch in den arktisch-alpinen Gebieten, in den mittelamerikanischen Gebirgen und Anden, sowie in Südafrika und Ostaustralien. Die Pflanzen enthalten Milchsaft in gegliederten Milchröhren; sie sind reich an Alkaloiden des Grundtyps Protopin (Codein, Papaverin, Morphin). Blätter einfach bis gelappt oder fiederteilig, ohne Stipeln, meist wechselständig. Blüten groß, auffällig gefärbt, radiär, zwittrig; K2 C2+2, oft mit zerknitterten Petalen; A∞ meist mehrkreisig; G(2-∞) oberständig, primär einfächerig, aber sekundär unterteilt durch vorwachsende, parietale Plazenten mit vielen Samenanlagen; Kapsel klappig oder porig öffnend. Die Familie enthält wichtige Nutz- und Zierpflanzen. Mit dem lateinischen Namen für Mohn belegt.
Abb. 121: Blüte von Papaver rhoeas, Klatschmohn, TüBG. Orig. 18.6.2000.
Gattungsauswahl: Argemone, Bocconia, Chelidonium, Eschscholzia, Glaucium, Hylomecon, Macleaya, Meconopsis, Papaver, Romneya, Sanguinaria.
Systematik und Phylogenie: Die Familie wurde früher mit den Cruciferen in der Ordnung der Rhoeadales zusammengefaßt. Heute wird sie mit den nah verwandten Fumariaceae in die eigene Ordnung der Papaverales gestellt. Pteridophyllaceae, Papaveraceae und Fumariaceae bilden ein Monophylum innerhalb der Ranunculales. Wenn die drei Familien als Unterfamilien gruppiert werden, sind sie in den Papaveraceae s.l. zusammengefasst (Kadereit et al. 1995, Hoot et al. 2015).
Fumariaceae, Erdrauchgewächse
(Abb. 122, 123). Familie mit 20 Gattungen und ca. 600 krautigen Arten, die in Afrika, Eurasien und Nordamerika verbreitet sind. Die Pflanzen besitzen keinen Milchsaft; sie sind reich an Alkaloiden. Blätter meist gefiedert bis fingerig geteilt, ohne Stipeln, wechselständig. Blüten radiär, bilateral symmetrisch oder zygomorph, zwittrig; K2, oft früh abfallend; C2+2, ein oder zwei äußere Petalen mit Aussackungen oder Spornen; A2+2, oder zweibündelig und Stamina jeweils dreiteilig mit mittleren, dithezischen und äußeren, monothezischen Antheren; G(2), oberständig, einfächerig; Kapseln oder nüßchenartige Früchte. Samen mit Elaiosomen. Einige Arten werden als Zierpflanzen verwendet. Die rauchfarben erscheinenden Blätter mancher Arten gaben Anlaß zur Benennung (Lat.: fumus - Rauch).
Abb. 122: Teilblütenstand von Corydalis ophiocarpa, schlangenfrüchtiger Lerchensporn, TüBG. Orig.5.5.2006.
Gattungsauswahl: Adlumia, Corydalis, Dicentra, Fumaria, Hypecoum, Rupicapnos, Sarcocapnos.
Systematik und Phylogenie: Siehe Papaveraceae.
Abb. 123: Blüte des Hohlen Lerchensporns, Corydalis cava als Vertreter der Erdrauchgewächse, Fumariaceae, die auch in die Mohngewächse, Papaveraceae, einbezogen werden. 1 Seitenansicht, 2 Längsschnitt, 3 seitliche Kronblätter abpräpariert, 4 verwachsene Staubblätter, 5 Fruchtknotenlängsschnitt, Samen sichtbar, mit fleischigen Anhängseln (Ameisenverbreitung), Na Narbe, Sp Sporn. Orig.
Abb. 124: Hauptschritte der Evolution der Blüten der Bedecktsamer von spiraliger und vielgliedriger Anordnung der Organe zu den radiärsymmetrischen Bauplänen, dreigliedrig bei den Monocotylen, zumeist vier- oder fünfgliedrig bei den Dicotylen. Mehrfach erfolgte der Übergang von den Frei- zu den Verwachsenblättrigen. Diese Blüten-Grundbaupläne liefern auch die Hauptmerkmale für die angegebenen größeren Verwandtschaftskreise. Grün – Kelchblätter (als Punkte kelchartig), rot – Kronblätter, bzw. gleichblättrige Blütenhüllblätter (Perigon), gelbe liegende Acht – Staubblätter, braune Punkte, bzw. zentraler (septierter) Kreis – Fruchtknoten. Orig.
Abb. 125: Systemanlage im Tübinger Botanischen Garten. Die Namen geben die Reviere von Familien an. Blick von West nach Ost. Orig. 4.5.2005.
Abb. 126: Systemanlage im Tübinger Botanischen Garten. Die Namen geben die Reviere von Familien an. Blick von Ost nach West. Orig. 4.5.2005.
Proteales, Silberbaumartige Gewächse
Nach der hier verwendeten Phylogenie wird die Ordnung Proteales molekular definiert (Abb. 127). Diese höchst unerwartete Gruppierung wurde durch Multigenanalysen bestätigt (Moore et al. 2008, Soltis et al. 2011, Ruhfel et al. 2014, Sun et al. 2015).
Abb. 127: Proteaceae und Umfeld: Dendrogramm nach Sequenzen des Plastidengenoms (Chase & al. 1993).
Platanaceae, Platanengewächse
(Abb. 127, 128, 129). Familie mit der einzigen Gattung Platanus, deren Baumarten in Südosteuropa, im Himalaja, in Südostasien und in Nordamerika vorkommen. Die Bäume sind laubwerfend und besitzen eine großflächig abblätternde Borke. Blätter meist gelappt, mit großen, hinfälligen Nebenblättern. Blüten klein und unscheinbar, eingeschlechtig, zu Kugelblütenständen zusammengezogen und einhäusig angeordnet; K3-8 C3-8; A3-8, fast sitzend und mit schildartig verbreiterten Konnektivspitzen; G6-9, selten 3, chorikarp. Staminodien können sowohl in männlichen als auch in weiblichen Blüten auftreten (Abb. 128). Nußfrüchte mit ausdauernden Griffeln, im kugeligen Fruchtstand von langborstigen Haaren umgeben. Platanenarten und –hybriden sind als Zierbäume weit verbreitet und beliebt. Der Name rührt von der altgriechischen Bezeichnung "platanos" her.
Phylogenie: Molekular analysiert durch Grimm et Denk (2008).
Vgl. Teil 3 Arboretum, 23 Platanaceae.
Abb. 128: Weibliche Blüten aus der kugeligen Infloreszenz der Platane, Platanus hybridus. G Fruchtknoten mit langen Narben, K Kelchblatt, St Staminodium (verkümmertes Staubblatt). Orig.
Abb. 129: Fruchtstand von Platanus orientalis, orientalische Platane, TüBG. Orig. 30.1.2009.
Abb. 130: Blüte von Nelumbo nucifera, Lotosblume, im System, TüBG. Orig. 12.7.2003.
Nelumbonaceae, Lotosblumengewächse
(Abb. 127, 130). Familie mit der einzigen Gattung Nelumbo und 2 Arten von Milchsaft führenden Wasser- und Sumpfrhizomstauden, die in Asien und Nordamerika verbreitet sind. Blätter jung schwimmend, dann lang und über die Wasseroberfläche hinaus gestielt, schildartig, wechselständig. Blüten radiär, zwittrig; K4-5 C10-25 A∞ G12-30; Sepalen ausdauernd, Petalen früh abfallend; Karpelle in einen umgekehrt konischen Blütenboden eingesenkt. In warmen, frostfreien Gebieten als Wasserzierpflanzen weit verbreitet; in Ostasien auch als Nutzpflanzen kultiviert. Nach einem singhalesischen Namen benannt.
Systematik und Phylogenie: Üblicherweise wird die Gattung Nelumbo zu den Nymphaeaceae gestellt oder die eigene Familie der Nelumbonaceae in die Nymphaeales eingegliedert. Huber (1991) reiht die Familie in die Berberidales (= Ranunculales) ein. In verschiedenen, molekular begründeten Dendrogrammen kann Nelumbo an diversen Positionen auftauchen: Als Schwestergruppe von Platanus (Chase et al. 1993, Soltis et al. 1997) oder bei den Trochodendraceae (Soltis et al. 1997).
Trochodendrales, Radbaumartige Gewächse
Abb. 131: Hamamelididae nach Cronquist (1988).
Zur traditionellen Unterklasse Hamamelididae der dicotylen Angiospermen, mit überwiegend kätzchenblütigen Taxa, wurden u.a. folgende Ordnungen gestellt (Abb. 131): Casuarinales, Fagales, Hamamelidales, Juglandales, Myricales, Trochodendrales. Huber (1991) bringt auch die Cunoniales in engeren Zusammenhang mit den Hamamelidales. In molekularen Analysen läßt sich die Unterklasse nicht verifizieren.
Trochodendraceae, Radbaumgewächse
(Abb. 132, 133). Die einzige Art der Gattung Radbaum, Trochodendron aralioides, repäsentiert die Radbaumartigen Gewächse (Trochodendrales). Der Baum ist von Taiwan über die Riukiu-Inseln und Südkorea bis Japan verbreitet und im Japanrevier des Geographischen Alpinums, in der Ostasien-Abteilung und im Arboretum gepflanzt.
Blätter immergrün, ungeteilt, gezähnt, lederig, ohne Stipeln, quirlig genähert. Blüten radiär, zwittrig, ohne Blütenhüllen, mit vielen, in 4-5 Kreisen stehenden Staubblättern (Name: Griech. tróchos - Rad, déndron - Baum) und 6-∞ freien bis schwach verwachsenen Karpellen, die zu Bälgen heranreifen.
Abb. 132: Familien der Trochodendrales und Verwandte: Dendrogramm nach Sequenzen des Plastidengenoms (Chase et al. 1993).
Systematik und Phylogenie: Die Trochodendraceae bilden mit der ebenfalls monotypischen Familie der Tetracentraceae die Ordnung der Trochodendrales. Tetracentron wird aber auch in die Trochodendraceae integriert.
Vgl. Teil 3 Arboretum, 9 Tetracentraceae.
Abb. 133: Blütenstand von Trochodendron aralioides, Radbaum, TüBG. Orig. 11.5.2004.
Buxales, Buchsbaumartige Gewächse
In die nähere Verwandtschaft der Platanen, Proteaceen und des Radbaumes werden auch die Buchsgewächse (Buxaceae, Abb. 132) gestellt. Sie sind weltweit, aber sehr zerstreut verbreitet, mit etwa 120 Arten, die auf sieben Gattungen verteilt werden.
Abb. 134: Revier der Buchsgewächse mit dem Buchsbaum, Buxus sempervirens, im System, TüBG. Orig. 20.12.2006.
Abb. 135: Blüte von Pachysandra terminalis, Ysander. 1, 3 männliche, 2, 4 weibliche Blüten, jeweils Seitenansicht und Längsschnitt. Na Narben. Orig.
Buxaceae, Buchsgewächse
(Abb. 134-136). Familie mit 7 Gattungen und etwa 100 Arten von Sträuchern, seltener Bäumen oder Kräutern, die in den wärmeren Gebieten subkosmopolitisch verbreitet sind, aber in Australien fehlen. Blätter einfach, oft lederig, nebenblattlos, wechsel- bis gegenständig. Blüten radiär, eingeschlechtig und monoecisch oder dioecisch verteilt; K meist 4; C fehlend; A meist 4, episepal oder 6-∞; G meist (3), gefächert; 1-2 Samenanlagen/Fach; Kapsel oder Steinfrucht. Enthalten Steroidalkaloide der Pregnangruppe (Buxin, Buxinamin, Buxinidin, Cyclobuxin, Parabuxin), die bei Tieren zu Vergiftungen geführt haben. Name vom Griechischen pykós = fest, abgeleitet; bezieht sich auf das harte Holz des Buchsbaums.
Gattungsauswahl: Buxus, Notobuxus, Pachysandra, Sarcococca, Styloceras.
Systematik und Phylogenie: Engler und Prantl (1897-1915) schlossen die Buxaceae in die Sapindales (Celastrales) ein. Molekularphylogenetisch gruppieren die Buxales mit den Gunnerales, Proteales und Trochodendrales im basalen Bereich der Eudicotylen (Abb. 19). Simmondsia ist der Vertreter einer eigenen Familie, Simmondsiaceae, die zu den Caryophyllales gehört (Nandi et al. 1998).
Vgl. Teil 3 Arboretum, 1 Buxaceae.
Abb. 136: Blütenstand von Buxus sempervirens, Buchsbaum. Zentral eine weibliche Blüte, umgeben von männlichen Blüten. TüBG. Orig. 20.4.2006.
Gunnerales, Mammutblattartige Gewächse
Abb. 137: Stellung der Gunneraceae: Dendrogramm nach Sequenzen der 18S rDNAs (Soltis et al. 1997).
Abb. 138: Blütenstände von Gunnera manicata, Mammutblatt, im System TüBG. Orig. 9.5.2002.
Ordnung mit zwei sehr unterschiedlichen Familien, Gunneraceae und Myrothamnaceae.
Phylogenie: Die Gunneraceae wurden traditionell den Haloragales (Cronquist 1981) zugeordnet. In molekularphylogenetischen Dendrogrammen sind sie isoliert und in relativ basaler Position der Eudicotylen zu finden (Abb. 19).
Gunneraceae, Mammutblattgewächse
(Abb. 137, 138). Familie mit ca. 50 Arten, in der einzigen Gattung Gunnera, mit mächtigen, aufrechten, oder kriechend polsterförmigen Rhizomstauden, die hauptsächlich südhemisphärisch verbreitet sind, aber bis Mittelamerika reichen. Blätter mit großen Axillarstipeln. Blütenstände groß, walzlich, Blüten jedoch klein, meist ohne Petalen. A2, Fruchtknoten zweigriffelig, aber einfächerig, mit einer Samenanlage. In den Wurzelstöcken (Adventivwurzeln) sind regelmäßig Blaualgenkolonien (Nostoc) vorhanden. Nach dem norwegischen Bischof und Botaniker Johan Ernst Gunner (Gunnerus, 1718-73) benannt.
Phylogenie: Die Gunneraceae haben nach molekularen Daten die Myrothamnaceae als Schwestergruppe und werden mit dieser zur Ordnung der Gunnerales zusammengefasst (Soltis et al. 2003). Die Gattungsgliederung wurde molekularphylogenetisch analysiert (Wanntorp et al. 2001, Wanntorp 2006).
Abb. 139: Systemreviere im neuen Botanischen Garten. Es sind nur die wichtigsten Ordnungen eingetragen. Die unterstrichenen und gelb geschriebenen Namen verweisen auf die Ordnungen, die im Folgenden behandelt werden. Photo: Google Earth, 2007.