Baupläne und Funktionen der Blüten

Baupläne und Funktionen der Blüten

 

​​ Macintosh HD:Users:Franz:Desktop:Daten: Manuskripte Publikationen-12.2.16:  TüBG-12.2.16:Abb:Abb4 verkleinert-#.12.15:Tulpe lgs beschr.jpg

Abb. 1: Längsschnitt durch die Blüte einer Gartentulpe, Tulipa kaufmanniana. Die Blütenorgane sind beschriftet. Weiteres im Text. Orig.

 

 

Die Bedeutung der Blütenbaupläne

 

Blütenmorphologie ist in der Systematik der Blütenpflanzen für das Erkennen von Verwandtschaften unverzichtbar. Darauf wird bei der Besprechung der Systeme immer wieder eingegangen. Die wichtigsten Grundlagen zu Blütenbauplänen und ihren Funktionen werden daher vorweg exemplarisch dargestellt.

 

An einem nicht ganz medianen Blütenlängsschnitt der Gartentulpe, Tulipa kaufmanniana (Abb. 1) sind zu sehen: gleichgestaltete Blütenblätter (P) in zwei Reihen, nach innen gefolgt von Staubblättern (A) und einem zentralen Fruchtknoten (G) mit einer terminalen Narbe.

Hauptblütenorgane und ihre Kennbuchstaben:

 

K – Kelch

C – Krone

P – Blütenblätter (Perianth), die nicht in Kelch- und Kronblätter differenziert sind

A – Staubblätter (Androeceum)

G – Fruchtknoten (Gynoeceum), aus Fruchtblättern gebildet

Sa – Samen(anlagen)

 

Das einfache Beispiel der Tulpe zeigt in ihrem Blütenbauplan die Grundstrukturen der Blüten der Einkeim­blättri­gen (Monocotyledoneae), ist also repäsentativ für viele Arten, die dieser Verwandtschaft angehören.

Macintosh HD:Users:Franz:Desktop:Daten: Manuskripte Publikationen-12.2.16:  TüBG-12.2.16:Abb:Abb4 verkleinert-#.12.15:Tulpe abbpräp beschr.jpg

Abb. 2: Tulpenblüte ohne Blütenblätter. Alle 6 Staubblätter sind sichtbar; sie stehen auf zwei Kreisen, daher A 3+3. zentraler, dreiblättriger Fruchtknoten er­kennbar an den drei Kanten und den drei terminalen Narben.

 

Wenn Blütenorgane abpräpariert werden, kann die Anordnung an der Abstammungsachse gut erkannt werden. Bei der Tulpe ließen sich die sechs Blütenblätter von zwei Wirteln entfernen. Das gleiche trifft auf die Staubblätter zu (Abb. 2). Dass der in der Mitte stehende Fruchtknoten aus drei Fruchtblät­tern verwachsen ist (G3), läßt sich unschwer am Querschnitt erkennen (Abb. 3). Aber auch die drei Narben an der Spitze des Fruchtknotens weisen darauf hin (Abb. 2).

 

Macintosh HD:Users:Franz:Desktop:Daten: Manuskripte Publikationen-12.2.16:  TüBG-12.2.16:Abb:Abb4 verkleinert-#.12.15:Tulpe Frk.jpg

Abb. 3: Querschnitt durch den dreiblättrigen Fruchtknoten (G) der Tulpe mit zentralwinkelständigen Samenanlagen (Sa). Die Mitte der einzelnen Fruchtblätter liegt an der jeweiligen Kante des Fruchtknotens. Orig.

 

Im Fruchtknoten der Tulpe sind die Samenanlagen (Sa) zentral inseriert (Abb. 3). Sie werden zumeist an den Rändern der Fruchtblätter gebildet. Das bedeutet bei der Tulpe, dass die drei Fruchtblätter mit ihren Seiten verwachsen sind und damit ihre Ränder in die Mitte gelangten. Dies ist eine zentrale Plazentation der Samenanlagen.

 

Macintosh HD:Users:Franz:Desktop:Daten: Manuskripte Publikationen-4.12.15: Botan. Garten-4.12.15:Abb kompr:Tulipa Blütenformel.jpg

Abb. 4: Blütendiagramm und Blütenformel der Tulpe: 2 Kreise von 3 jeweils gleichen Blütenhüllblättern (P), gefolgt von 2 Kreisen Staubblättern (A) und einem zentralen Fruchtknoten aus 3 verwachsenen Frucht­blättern (G). Entsprechend lautet die Blütenformel P3+3 A3+3 G(3). Orig.

 

Blütenstrukturen und die Zahlen der an ihrem Bau beteiligen Organe lassen sich durch Diagramme und Formeln wiedergeben. Für die Tulpe ist das in Abb. 4 gezeigt.

Als Grundregel kann die Abfolge der Blütenorgane gelten, von außen nach innen (Abb. 5): K, C (bzw. P in Abb. 5), A, G, Sa.

 

Die unterschiedlichen Blütenbaupläne sind nicht nur ein Ausdruck der Evolution der Blütenpflanzen, sondern auch der vielfältig­sten Anpassungen an Bestäubungs- und Ver­breitungsbiologie.

Macintosh HD:Users:Franz:Desktop:Daten: Manuskripte Publikationen-12.2.16:  TüBG-12.2.16:Abb:Abb4 verkleinert-#.12.15:Blüte Bedecktsamer Schema.jpg

 

Abb. 5: Längsschnitt einer Blüte mit Kelch- (K) und Kronblättern (C), Staubblättern (A), zu einem Fruchtknoten (G) verwachsenen Fruchtblättern, die mit einem gemeinsamen Griffel in den Narben enden. Samenanlagen (Sa) sind zentralwinkelständig inseriert. Orig.

Macintosh HD:Users:Franz:Desktop:Daten: Manuskripte Publikationen-12.2.16:  TüBG-12.2.16:Abb:Abb4 verkleinert-#.12.15:Narzisse Blüte.jpg

Abb. 6: Längsschnitt durch die Blüte der Osterglocke, Narcissus pseudonarcissus, Narzissengewächse, Ama­ryllidaceae. ​​ Querschnitt durch den Fruchtknoten mit zentralwinkelständigen Samenanlagen und Blütendia­gramm in der Darstellung für die oberen Organteile, also nicht ihre Verwachsungen. A Staubblätter, Corona Kronblattauswuchs (Krönchen), G Fruchtknoten, P Kronblätter, Tb Tragblatt der Blüte. Orig.

Um Übereinstimmungen und Abweichungen der Blütenbaupläne aus der gleichen Verwandtschaft der Einkeimblättrigen, Monocotyledoneae, zu verdeutlichen, wird die Osterglocke verwendet (Abb. 6).

Der Blütenlängsschnitt zeigt einen Fruchtknoten (G) mit dem terminal alle übrigen Blütenorgane verwachsen sind. Dieser Fruchtknoten wird unterständig genannt, im Diagramm doppelt konturiert und in der Blütenformel mit

 ​​​​ Macintosh HD:Users:Franz:Desktop:Bildschirmfoto 2016-02-17 um 21.10.29.png angegeben.

Ein Strich unter (3) würde einen oberständigen Fruchtknoten bezeichnen. Darauf wird, wegen des häufigen und normalen Vorkommens, oftmals verzichtet (Abb. 4).

Besonderheiten der Osterglocken-Blüte sind die basal zu einer Röhre verwachsenen Kronblätter und der Krönchenauswuchs. Die Blütenröhre, Hypanthium, wird im Diagramm als Ring um den Fruchtknoten und in der Formel mit eckiger Klammer angegeben. Das Krönchen, Corona, hat im Diagramm einen gewellten Ring. In der Blütenformel ist diese Struktur nicht berücksichtigt.

Die Kronblätter (P) sind im Diagramm mit ihren oberen, freien Teilen wiedergegeben. Der unterständige Fruchtknoten (G) ergibt zwangsläufig, dass sie mit ihm verwachsen sind. Dass eine Kronröhre ausgebildet ist, wird durch die Signatur des Hypanthiums und in der Formel durch die runde Klammer angegeben.

Die in der Kronröhre inserierten Staubblätter (A) zeigt die eckige Klammer an. Da die Insertion basal ist, wurde sie im Diagramm nicht berücksichtigt. Dies wäre durch radiale Verbindungen zwischen Staubblättern und Hypanthium möglich.

Viele Samenanlagen (Sa) sind durch die liegende Acht in der Formel symbolisiert.

Der radiärsymmetrische Bau der Blüte wird durch den Stern * vor der Formel angegeben.

 

Macintosh HD:Users:Franz:Desktop:Daten: Manuskripte Publikationen-12.2.16:  TüBG-12.2.16:Abb:Abb4 verkleinert-#.12.15:Bestäubung Befruchtung.jpg

Abb. 7: Längsschnitte durch eine Samenanlage (links) und einen Samen (rechts). Die Samenanlage ist illustriert zum Zeitpunkt kurz vor der Befruchtung durch eine Spermazelle aus dem Pollenschlauch. Erläuterung im Text. Orig.

 

 

Macintosh HD:Users:Franz:Desktop:Daten: Manuskripte Publikationen-12.2.16:  TüBG-12.2.16:Abb:Abb4 verkleinert-#.12.15:Heterosporie.jpg

 

Abb. 8: Verbreitungseinheiten von Moosen, Farnen und Samenpflanzen. Die im Schema verwendeten Fachausdrücke werden im Text erklärt. Orig.

 

Obwohl Sinn und Zweck von Blüten durch ihre Reifestadien der Früchte selbsterklärend sind, soll auf die höchst komplizierten und ungemein effizienten Vermehrungs- und Verbreitungseinheiten der Samen entwicklungsgeschichtlich kurz eingegangen werden (Abb. 7).

Aus der haploiden Eizelle, eingeschlossen in der Samenanlage und diese im Fruchtknoten befindlich (Abb. 3-6), wird eine diploide Zygote, die sich zum Embryo weiterentwickelt. Dieser wird von einem Nährgewebe, dem Endosperm, umgeben. Es entsteht aus der zunächst diploiden Embryosackzelle, die nach Verschmelzung mit einer weiteren Zelle aus dem Pollenschlauch durch deren Kern triploid wird. Der Embryo, also die junge Pflanze, wird durch die Samenschale, die aus diploidem Mutterpflanzen-Gewebe besteht, geschützt, bis günstige Bedingungen für die Keimung gegeben sind.

Dieser Vorgang ist die Kombination von sexueller Fortpflanzung mit Vermehrung.

Sexuelle Fortpflanzung bedeutet Bildung von Gameten durch Reduktionsteilung (R!) und der Verschmelzung ihrer Kerne, Karyogamie (K!) in der Zygote.

Sexuelle Fortpflanzung: R! + K!

 

Moose und Farne vermehren sich durch ihre Sporen, genauer, ihre Meiosporen (Abb. 8), die durch Reduktionsteilung (R!) entstanden sind. Diese haploiden Sporen keimen und bilden eigenständige, haploide Pflanzen, weil meist unscheinbar, „Pflänzchen“ genannt. Sie bilden in eigenen Organen, den Gametangien, die Gameten. Die männlichen Gameten der Moose und Farne sind begeißelt, benötigen daher Wasser, in dem sie zu den weiblichen Eizellen schwimmen können.

 

Samenpflanzen haben diese Schwierigkeiten in ihrem Entwicklungsgang überwunden durch den Verlust der begeißelten männlichen Gameten und durch den Verlust eigenständiger haploider Pflänzchen für die Gametenbildung. Bei ihnen werden die männlichen Gameten als nicht begeißelte Spermazellen im Pollenschlauch gebildet (Abb. 7). Der weibliche Gamet ist die Eizelle in der Samenanlage.

Der Vorteil der Samenpflanzen gegenüber Moosen und Farnen als Landpflanzen besteht darin, dass für ihre sexuelle Fortpflanzung kein Wasser benötigt wird.

Im Schema der Abb. 8 werden noch die Termini Megaspore und Heterosporie verwendet. Diese Begriffe beziehen sich auf unterschiedlich ausgebildete, zumeist kleine männliche und größere, weibliche Meiosporen. Die Megasporen verbleiben im bildenden Sporo­phyten.