Steinbrechartige im Arboretum
Abb. 46: Arboretum des Tübinger Botanischen Gartens. Die Familienreviere der Steinbrechartigen (Saxifragales) wurden nummeriert: Pfingstrosen (18), Johannisbeeren (20), Amberbäume (24), Zaubernußgewächse (25), Katsurabäume (26) und Lorbeerblattgewächse (38). Google-Satellitenaufnahme von 2007.
21 Hydrangeaceae, Hortensiengewächse
(Abb. 49). Familie der Cornales (Hartriegelartige Gewächse) mit traditionell 3 Gattungen und ca. 25 Arten, jetzt 17 Gattungen und etwa 200 Arten von Stauden und Sträuchern, die vom Himalaja über Südostasien nach Indonesien, sowie nach China und Japan und in Nord- und Mittelamerika und den Anden verbreitet sind. Blätter gegenständig, einfach, gezähnt bis gelappt. Randständige Blüten der Infloreszenz häufig steril und mit petaloid vergrößerten Kelchen. Mit iridoiden Inhaltsstoffen. Der aus dem Griechischen abgeleitete Name bezieht sich auf die Form der Früchte, die an Wassergefäße erinnern. Gattungen: Im engeren Sinne: Decumaria, Hydrangea, Kirengeshoma; zusätzliche auch bei den Philadelphaceae: Carpenteria, Deinanthe, Deutzia, Dichroa, Fendlera, Jamesia, Philadelphus, Schizophragma.
Systematik und Phylogenie: Nahe mit den Philadelphaceae verwandt und oft auch mit dieser Familie vereinigt. Dies wird von molekularen Daten unterstützt. Die Loasaceae sind die Schwestergruppe der Hydrangeaceae (Soltis et al. 1995).
Abb. 47: Familien der Saxifragales: Dendrogramm nach Sequenzen des Plastidengenoms (Chase et al. 1993 in der Auswertung nach Rice et al. 1997).
Abb. 48: Reviere im Arboretum im Frühlingsaspekt, von links nach rechts: Weidengewächse, Salicaceae; Rosengewächse, Rosaceae; Katsurabaumgewächse, Cercidiphyllaceae; Zaubernußgewächse, Hamamelidaceae; Platanengewächse, Platanaceae; Pfeifenstrauchgewächse, Philadelphaceae. Orig. 8.1.2005.
22 Philadelphaceae, Pfeifenstrauchgewächse
(Abb. 48, 50). Familie der Cornales (Hartriegelartige Gewächse) mit 4 Gattungen und ca. 130 Arten von Sträuchern, selten Stauden, mit einer Gesamtverbreitung von Südeuropa über den Kaukasus, Himalaja und Ostasien nach Nord- und Mittelamerika. Blätter einfach und meist gegenständig. Blüten radiär, zwittrig, Blütenhülle 4-5-, selten 10zählig; A verdoppelt bis viele, häufig mit abgeflachten und gezähnten Filamenten; G meist (3-5), selten (2-6-10), mittel- bis unterständig. Familie mit wichtigen Ziergehölzen. Der Name bezieht sich auf Philadelphus, einen König des 3. vorchristlichen Jahrhunderts. Gattungen: Carpenteria, Deutzia, Jamesia, Philadelphus.
Systematik und Phylogenie: Früher meist mit den Saxifragaceae vereint oder zu den Saxifragales gestellt, jedoch nächst verwandt mit den Hydrangeaceae, und auch in diese eingegliedert, was durch molekulare Daten bestätigt wird (Hufford et al. 2001).
Abb. 49: Großblättrige Hortensie, Hydrangea macrophylla im Arboretum. Orig. 2.7.2005.
Abb. 50: Pfeifenstrauch, Philadelphus coronarius, Philadelphaceae, im Arboretum. Orig. 8.6.2003.
23 Platanaceae, Platanengewächse
(Abb. 48, 51). Familie der Proteales (Silberbaumartige Gewächse) mit der einzigen Gattung Platanus, deren Baumarten in Südosteuropa, im Himalaja, in Südostasien und in Nordamerika vorkommen. Die Bäume sind laubwerfend und besitzen eine großflächig abblätternde Borke. Blätter meist gelappt, mit großen, hinfälligen Nebenblättern. Blüten klein und unscheinbar, eingeschlechtig, zu Kugelblütenständen zusammengezogen und einhäusig angeordnet; K3-8 C3-8; A3-8, fast sitzend und mit schildartig verbreiterten Konnektivspitzen; G6-9, selten 3, chorikarp. Staminodien können sowohl in männlichen als auch in weiblichen Blüten auftreten (Abb. 51). Nußfrüchte mit ausdauernden Griffeln, im kugeligen Fruchtstand von langborstigen Haaren umgeben. Platanenarten und –hybriden sind als Zierbäume weit verbreitet und beliebt. Der Name rührt von der altgriechischen Bezeichnung "platanos" her. Phylogenie: Molekular analysiert durch Grimm and Denk (2008).
Abb. 51: Weibliche Blüten aus der kugeligen Infloreszenz der Platane, Platanus hybridus. G Fruchtknoten mit langen Narben, K Kelchblatt, St Staminodium (verkümmertes Staubblatt). Orig.
24 Altingiaceae, Amberbaumgewächse
(Abb. 52-54). Familie der Hamamelidales (Zaubernußartige Gewächse), mit einer Gattung, Liquidambar, und 12 Baumarten, die in West-, Ost- und Südostasien, Indomalesien, sowie in Nordamerika verbreitet sind. Harzkanäle an der Markperipherie. Blätter palmat gelappt oder gezähnt. Blüten eingeschlechtig, ohne Kronen oder ohne Perianth; Staminodien in weiblichen Blüten öfters vorkommend. Systematik und Phylogenie: Altingia und Liquidambar wurden vereint (Shi et al. 2001). Nach molekularphylogenetischen Hypothesen können die Hamamelidales in die erweiterten Saxifragales (Steinbrechartige Gewächse) eingegliedert werden (Soltis et al. 1997, APG III 2009).
Abb. 52: Revier der Amberbaumgewächse, Altingiaceae, im Arboretum: Die jungen Bäume mit roter, orange und gelber Herbstfärbung. Orig. 16.11.2006.
Abb. 53: Verwandtschaft der Hamamelidales: Dendrogramm nach Sequenzen des Plastidengenoms (Chase et al. 1993).
Abb. 54: Weiblicher Blütenstand vom Amberbaum, Liquidambar styraciflua, Altingiaceae. Orig. 9.5.1993.
25 Hamamelidaceae, Zaubernußgewächse
(Abb. 53, 55). Traditionell Familie der Hamamelidales (Zaubernussartige Gewächse), die in 27 Gattungen mit rund 100 Arten von Bäumen und Sträuchern in West-, Südost- und Ostasien, in Süd- und Ostafrika, sowie im östlichen und südlichen Nordamerika und Mittelamerika verbreitet sind. Blüten 4-5gliederig, mit Kelch und häufig auffälliger, gefärbter Krone, meist freikronblättrig; G2 mit 2 Griffeln, ober-, mittel- und unterständig. Der Name Hamamelis bezieht sich auf die alte griechische Benennung (háma - gleichzeitig, mélon - Apfel, Frucht) für Mespilus, Mispel (Rosaceae). Gattungsauswahl: Hamamelis, Corylopsis, Fortunearia, Sinowilsonia, Fothergilla, Parrotia, Parrotiopsis, Distylium.
Phylogenie: Nach molekularphylogenetischen Hypothesen zu den Saxifragales s.l. gehörig (Soltis et al. 1997). Mit den Altingiaceae, Cercidiphyllaceae und Daphniphyllaceae auf einer basalen, nicht näher aufgelösten Evolutionshöhe der Ordnung stehend (Abb. 53).
Abb. 55: Männliche Blüten von Sinowilsonia henryi, Zaubernußgewächse, Hamamelidaceae. Orig. 1.5.2006.
26 Cercidiphyllaceae, Katsurabaumgewächse
(Abb. 53, 56, 57). Familie der Hamamelidales (Zaubernußartige Gewächse) mit der einzigen Gattung Cercidiphyllum in China, Korea und Japan verbreitet. Blätter dimorph (heterophyll), an Langtrieben elliptisch bis kreisförmig und gegenständig, an Kurztrieben herzförmig und wechselständig. Die kronblattlosen, eingeschlechtigen Blüten sind zweihäusig verteilt. A8-13, G1, Griffel mit 2 langen, parallelen Narben. Frucht vielsamig, mit 2 Samenreihen. Wegen der intensiv gelben Herbstfärbung der Blätter als Ziergehölze geschätzt. Der Name bezieht sich auf die Ähnlichkeit der Blätter mit denen des Judasohrbaumes, Cercis siliquastrum.
Phylogenie: Nach molekularphylogenetischen Hypothesen zu den Saxifragales s.l. gehörig. Mit den Altingiaceae, Daphniphyllaceae und Hamamelidaceae auf einer basalen, nicht näher aufgelösten Evolutionshöhe der Ordnung stehend (Abb. 53).
Abb. 56: Männliche Blüten vom Katsurabaum, Cercidiphyllum japonicum. Orig. 20.4.2006.
Abb. 57: Frucht des Katsurabaumes, Cercidiphyllum japonicum, Katsurabaumgewächse, Cercidiphyllaceae. 1 Frucht mit freien, apocarpen, Fruchtblättern, G. 2 aufgeschnittenes Fruchtblatt mit Samen. Na Narben. Orig.
Abb. 58: Revier der Weidengewächse, Salicaceae, im Arboretum. Orig. 8.1.2005.
27 Salicaceae, Weidengewächse
(Abb. 58, 59). Traditionell einzige Familie der Salicales (Weidenartige Gewächse), jetzt den Malpighiales eingegliedert, mit 2-4 Gattungen und 350-550 Arten von dioecischen Bäumen und Sträuchern mit insgesamt subkosmopolitischer Verbreitung (excl. Australien, Neuseeland und Neuguinea). Blüten mit becherigem Perianth oder ohne Blütenhülle, eingeschlechtig, in Kätzchen, A2-30 frei bis verwachsen, G(2) ungefächert, mit vielen Samenanlagen an parietal-basalen Plazenten; Kapselfrüchte, Samen mit Haarbüschel. Wichtig als Holzlieferanten, Zierbäume und -sträucher. Name nach der alten lateinischen Bezeichnung. Gattungsauswahl: Dovyalis, Flacourtia, Idesia, Pappel (Populus), Weide (Salix).
Phylogenie: Die Salicaceae bilden mit den Passifloraceae, Turneraceae, Violaceae und einigen weiteren Familien ein Monophylum innerhalb der Malpighiales (Davis et al. 2005). Nach molekularphylogenetischen Hypothesen beinhalten die neu umschriebenen Salicaceae auch die Gattungen einiger kleinerer, ehemals eigenständiger Familien sowie die Flacourtiaceae mit ca. 90 Gattungen und 1000 Arten.
Abb. 59: Blüten von Weiden, Salix. 1 Männliche Blüte der Bruchweide, Salix fragilis. 2 Weibliche Blüten der Salweide, Salix caprea. A Staubblätter, Ne Nektarium, Tr Tragblatt der Blüte, G Fruchtknoten, Sa Samenanlagen. Orig.
28 Viscaceae, Mistelgewächse
(Abb. 60-63). Familie der Santalales (Sandelbaumartige Gewächse) mit 8 Gattungen und etwa 400 halbparasitischen, strauchigen bis krautigen Arten, die subkosmopolitisch verbreitet sind, ihre Hauptvorkommen in den Tropen besitzen und in den kühleren Gegenden der Nordhemisphäre fehlen. Die Pflanzen erreichen mit Haustorien (umgewandelte sproßbürtige Wurzeln) die Wasserleitungsbahnen ihrer Wirte. Blätter meist immergrün, lederig, ohne Stipeln, gegenständig. Blüten meist radiär, eingeschlechtig; männliche T2+2 mit gleich vielen, freien oder mit den Tepalen verwachsenen Stamina; oder weibliche 3+3, G(2-3) unterständig, mit nicht ausdifferenzierten Samenanlagen; Beeren. Einige Arten sind als Schädlinge wichtig, andere werden als Zierpflanzen verwendet. Beerenfrüchte mit je einem klebrigen Samen (Name: Lat. viscum - Vogelleim). Gattungsauswahl: Dendrophthora, Phoradendron, Viscum.
Systematik und Phylogenie: Eine monophyletische Gruppe (Nickrent et al. 1998), die auch als Unterfamilie Viscoideae den Loranthaceae, oder als Gruppe Visceae den Santalaceae eingegliedert wird.
Abb. 60: Misteln, Viscum album, auf der Zitterpappel, Populus tremula, im Arboretum. Orig. 30.1.2009.
Abb. 61: Weibliche Blüten der Mistel, Viscum cruciatum, Mistelgewächse, Viscaceae. P gleichgestaltete Blütenblätter, G Fruchtknoten. Orig.
Abb. 62: Mistelfrüchte, Viscum album, im Arboretum. Orig. 15.11.2006.
Abb. 63: Mistelsamen in Schleimsäcken abseilend, Viscum album, im Arboretum. Orig. 1.2.2009.
29 Berberidaceae, Berberitzengewächse
(Abb. 64-66). Familie der Ranunculales (Hahnenfußartige Gewächse) mit 15 Gattungen und mehr als 700 Arten von Sträuchern und Stauden, die in Ost- und Nordafrika, Europa, West-, Zentral- und Ostasien, sowie in Nordamerika und den Anden verbreitet sind; sie fehlen in den kalten Gebieten der Nordhemisphäre und im gesamten Australien. Blätter einfach (auch schildförmig) bis gefiedert, ohne Stipeln, wechsel- oder grundständig. Blüten radiär, zwittrig und meist dreizählig; P bzw. K+C3-∞ (1-9-kreisig), A4-18 (meist zweikreisig), Filamente meist reizbar; Antheren oft mit 2 Klappen öffnend; G1, auch (2-3), einfächerig, mit meist vielen Samenanlagen; Balg- oder Beerenfrüchte, selten Nüßchen. Berberideen häufig mit Isochinolin- (Berberin) und Chinolizidin-Alkaloiden (N-Methylcytisin). Diese Inhaltsstoffe fehlen den Podophylleen, die dagegen wasserlösliche Lignan-Glycoside (Podophyllotoxin) enthalten. Viele Arten werden als Zierpflanzen verwendet. Der Name bezieht sich auf eine arabische Bezeichnung für Frucht. Gattungsauswahl: Berberis, Epimedium, Jeffersonia, Leontice, Mahonia, Plagiorhegma, Podophyllum, Vancouveria.
Systematik und Phylogenie: Die Berberidaceae bilden in molekularphylogenetischen Dendrogrammen mit den Ranunculaceae und Menispermaceae ein Monophylum innerhalb der Ranunculales (Abb. 26; Hoot and Crane 1995). Molekulare Hypothesen unterstützen die Untergliederung der Familie in Berberideae und Podophylleae. Die traditionellen Epimedeae erweisen sich jedoch als paraphyletisch. Die Gattungen Bongardia, Caulophyllum und Leontice werden auch in einer eigenen Familie, Leonticaceae, zusammengefaßt. Nandina, oft zu den Berberidaceae gestellt, wird als Vertreter einer eigenen Familie, Nandinaceae, geführt, ist aber im Arboretum nicht angepflanzt.
Abb. 64: Revier der Berberitzen, Berberidaceae, im Arboretum. Orig. 13.8.1997.
Abb. 65: Blühende Mahonie, Mahonia bealei, Berberitzengewächse, Berberidaceae. Orig. 11.1.2007.
Abb. 66: Fruchtende Thunberg-Berberitze, Berberis thunbergii, im Arboretum. Orig. 17.11.2002.
Abb. 67: Revier der Weinstöcke, Vitaceae, im Arboretum. Orig. 27.5.2006.
Abb. 68: Blühender Wein, Vitis vinifera. Weingewächse, Vitaceae. Orig. 21.6.2002.
Abb. 69: Position der Vitaceae: Dendrogramm nach Sequenzen des Plastidengenoms. Nach Chase et al. (1993).
Abb. 70: Revier der Walnußgewächse, Juglandaceae, im Arboretum. Orig. 27.5.2006.
30 Vitaceae, Weingewächse
(Abb. 67-69). Einzige Familie der Vitales (Weinartige Gewächse) mit 15 Gattungen und ca. 900 Arten von Lianen und Sträuchern, die annähernd weltweit, mit Ausnahme der kalten Gebiete der Nordhemisphäre, verbreitet sind. Blätter häufig zusammengesetzt. Blüten unscheinbar, K4-5 C4-5, G meist (2) oberständig. Mit der römischen Bezeichnung benannt. Gattungsauswahl: Ampelopsis, Cissus, Cyphostemma, Parthenocissus, Vitis.
Phylogenie: Nach molekularen Hypothesen sind die Vitaceae die Schwestergruppe der Dilleniaceae (Abb. 144, Soltis et al. 2000, 2007).